Der Kirschbaum im Wandel der Jahreszeiten
Der Herrgott schuf das wahre Leben
hinein in die Natur,
als Zeichen seiner Herrlichkeit,
den Baum in Wald und Flur.
So steht er still und wächst empor,
stolz und mächtig, dem Himmel zu,
alles lebt in seinem Innern,
gelobter Baum, mein Freund bist du!
Sehr wohl versteh ich deine Sprache,
wenn du blühst und Blätter treibst,
dann ist Frühling, welche Freude,
auch wenn stumm du leider bleibst.
Im Schatten unterm Blätterdach
verleb ich manchen Traum,
gelehnt am starken Stamme,
spürt man die Sommerhitze kaum.
Es reift die Frucht, es färbt das Laub,
der Herbst fährt durch das Land,
kürzer werden schon die Tage,
der Wind nimmt dir das Laubgewand.
So stehst du da mit nackten Zweigen
und alle Knospen schlummern tief,
dass du wohlverdiente Ruhe findest,
weil der Herr den Winter rief.
Dann geht's dahin ins hohe Alter,
gezeichnet bist du, oh mein Baum,
viele Risse sind wie Falten,
doch dürre Äste fallen kaum.
Denn tiefverwurzelt stehst du im Leben,
und gesegnet bist du Tag für Tag,
bist ein Teil der ganzen Schöpfung,
"oh mein Baum! Wie ich dich mag!"
Franz Stieber, 1996
(aus seinem Gedichtband "Daham")
https://hitzendorf.com/cms/beitrag/10002615/3029/